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Der Raben Speise

Autor: F.G. Klimmek
Taschenbuch
228 Seiten
ISBN: 3-937001-39-5
Preis: 9,50 Euro (inkl MwSt.)

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Klappentext:
1534. Die Wiedertäufer haben den Bischof aus Münster vertrieben und die Herrschaft übernommen. Exzesse wie Bildersturm, Vielweiberei und Hinrichtungen sind an der Tagesordnung. Der Bischof ist gezwungen, mit enormem Aufwand die eigene Stadt zu belagern. Um so härter trifft ihn die Nachricht, daß ein Bote, der Geld und Hilfe bringen sollte, unterwegs getötet worden und seine Fracht verschwunden ist.

Wieder einmal soll es Frederik von dem Kerkhof richten, Spion und professioneller Mörder im fürstbischöflichen Dienst. Der stößt bei seinen Nachforschungen gleich auf mehrere Verschwörungen und muß sich dabei mit aufständischen Bauern, Meuchlern, heimtückischen Weibern, dem Bunten Mann und dem Dieb der Seelen herumschlagen.

Am Ende steht er vor der Erkenntnis, daß Freund und Feind gemeinsam Front bezogen und ihm einmütig einen Platz auf dem Schafott zugedacht haben.

Leseprobe:
Die Grammatik der Druckversion folgt bedauerlicherweise den Regeln der sogenannten Rechtschreibreform.
Ich hoffe, das Textverständnis wird dadurch nicht allzu sehr beeinträchtigt.

Mein Rapier hatte ich aus der Scheide gezogen und neben mich unter die Decke gelegt. Den Rest meiner Waffen hatte ich deutlich sichtbar an einen Haken in der Zimmerecke gehängt, dass ich jedem Gegner als arg- und wehrlos erscheinen musste. Die Falle war gestellt. Jetzt musste das Wild nur noch hineintappen.
Eine Kerze brennen zu lassen wäre zu auffällig gewesen. Dafür hatte ich die Läden vor den Fenstern offengelassen, sodass der Mond wenigstens einen Teil der Szenerie beleuchten konnte. Ich probierte noch einmal, ob die Tür sich ohne großen Lärm würde öffnen lassen, dann legte ich mich ins Bett und wartete.
Während sich meine offenen Augen allmählich an das düstere Zwielicht gewöhnten, ließ ich mein Vorgehen erneut vor meinem geistigen Auge passieren. Es versteht sich von selbst, dass ich niemanden darüber aufgeklärt hatte, dass ich mit leeren Händen dastand. Stattdessen erging ich mich vor den erwartungsvoll auf mich gerichteten Augen der Gäste in vernebelnden Ausführungen, vagen Andeutungen, aber der festen Beharrlichkeit, dass ich den Mörder seiner gerechten Strafe zuführen würde. Am kommenden Tag würde es meine hervorstechende Aufgabe sein, alle Kammern zu durchsuchen und ein jedwedes Gepäckstück von innen nach außen zu kehren, um den verschwundenen Schatz aufzuspüren. Ich missachtete die Einwendungen des Italieners, die darin kulminierten, als wohlbeleumundeter Meister eines fremden Landes, der sich nichts hätte zu Schulden kommen lassen, müsste er sich eine solche Behandlung nicht gefallen lassen. Ich nahm die Tirade des Kaufmanns zur Kenntnis, als freier Bürger einer freien Stadt hätte er es nicht nötig, sich in einen Topf mit Gesindel und Halunken werfen zu lassen, doch geböte es schon sein reines Gewissen, das Gepäck seiner Familie und seines Gefolges samt Karren freiwillig einer Examination zur Verfügung zu stellen. Und ich erlaubte mir sogar, die skeptischen Blicke meines Gastgebers zu ignorieren, der eine solche Vorgehensweise gegenüber den Menschen, die bei ihm um Schutz und Obdach nachgesucht hatten, offensichtlich degoutierte. Einzig die Landsknechte wiesen mit einer lakonischen Handbewegung in Richtung ihrer Kammer und bemerkten, die Überprüfung ihrer zwei ledernen Gepäcksäcke würde mich wohl nicht viel Mühe kosten.
Was einzig zählte, war mein Plan, den Mörder aus seinem Loch zu kitzeln, indem ich ihm das unweigerliche Auffinden der Beute und damit seine Überführung in Aussicht stellte. Niemand hatte die Burg verlassen können. Des Nachts war ohnehin die Brücke hochgezogen und nach dem Auffinden der Leiche war dieser Zustand auch untertags beibehalten worden. Außerdem, so hatte mir der Hausherr versichert, ließe er immer, wenn sich Fremde in der Burg befänden, nachts die Hunde im Hof laufen. Zweitausend Goldgulden mussten sich also noch innerhalb dieser Mauern befinden, und ich hatte angekündigt, sie am nächsten Tage aufspüren. Wer auch immer sie in Besitz hatte, heute Nacht müsste er mich töten. In dieser beruhigenden Gewissheit hoffte ich darauf, wach bleiben zu können.
Es dauerte nach meiner Schätzung etwa eine Stunde, bis alle Geräusche in der Burg verstummt waren – bis auf jene, die von ihr selbst stammten. Wenn der böige Wind sie nicht überdeckte, konnte man es knacken und knarzen hören und manchmal vernahm man einen Laut, als würde das alte Gemäuer aufstöhnen über das in ihm begangene Verbrechen. Ich hätte liebend gern eine vollkommene Stille gehabt, um den erwarteten Eindringling so früh wie möglich hören zu können. So musste ich alle meine Sinne anspannen, um nicht am Ende Opfer meines eigenen Plans zu werden. Hin und wieder war der Ruf einer Eule aus dem nahen Emscherbruch zu vernehmen und mehrmals flatterten Nachttiere an meinem Fenster vorbei. Nach meiner Schätzung befand ich mich in der Mitte zwischen dem Einbruch der Dunkelheit und dem Morgengrauen.
Und dann passierte mir das, was nie und nimmer hätte geschehen dürfen. Ich schlief ein. Ich will hier gar nicht erst versuchen, die Schuld für mein Versagen auf den anstrengenden und viel zu langen Ritt, den fehlenden Schlaf aus der Nacht zuvor oder gar auf den quengelnden Hillink abzuwälzen, der sich unaufhörlich über den miserablen Zustand des Weges beschwert hatte. Es gibt keine Entschuldigung für eine solch tödliche Dummheit. Frederik von dem Kerkhof, des Bischofs bester Mann, hatte sein Leben als Köder angeboten und war dabei eingeschlafen!
Was mich aus den Träumen riss, kann ich im Nachhinein nicht mehr angeben. Vielleicht war es ein ungewöhnlich lautes Knarren der Diele, vielleicht ein in den Jahren verschärftes Gespür für die Gefahr, vielleicht ein siebenter Sinn, möglicherweise eine Mischung aus allem. Ich sah aus den kaum geöffneten Augen einen Schatten auf mein Gesicht herabstoßen und schaffte es gerade noch, meinen Kopf zur Seite zu drehen. Deshalb zuckte die Klinge eines kurzen Messers mit doppelter Schneide um weniger als eine Fingerbreite an meinem Hals vorbei und schlitzte statt meiner Kehle das Kopfkissen auf. Das Rapier unter der Decke hervorzuziehen war keine Zeit. Außerdem wäre diese Waffe bei einem Kampf aus nächster Nähe eher hinderlich.
Lange Überlegungen konnte ich ohnehin nicht anstellen, denn schon wieder schoss der scharfe Stahl aus dem Dunkel auf mein Gesicht zu. Reflexartig griff ich in den Schatten und bekam den Arm knapp unterhalb der Hand zu fassen. Obwohl die vermummte Gestalt alle Anstrengungen unternahm, die Klinge auf mich herunterzudrücken, kam sie mir kein Stück näher. Ich merkte sofort, dass ich dem Attentäter an Kraft weit überlegen war. Das half mir im Moment jedoch nicht viel, weil ich meine andere Hand benötigte, meine Augen zu schützen, auf die er mit klauenartigen Nägeln niederfuhr. Endlich gelang es mir, auch diese Hand zu packen, doch konnte ich nicht viel ausrichten, da das Messer immer noch bedrohlich über mir schwebte. Obwohl ein ungläubiger Thomas, habe ich später noch oft ein Dankgebet zu meinem alten Lehrmeister Berthold geschickt. Er hatte mich so gedrillt, dass verschiedene Verteidigungen, die ich längst vergessen wähnte, im Falle höchster Not wieder präsent waren. So wandte ich auch jetzt, als ich in dem Handgemenge schließlich die hinderliche Decke von mir heruntergestrampelt hatte, die Technik an, die wir den Mönchstritt genannt hatten. Ich trat meinem Angreifer kunstgerecht zwischen die Beine.
Die Wucht hob den leichtgewichtigen Burschen ein ganzes Stück in die Höhe, brachte ihn jedoch nicht dazu, seine verkrallte Hand zu lockern oder den Dolch freizugeben, entlockte ihm nicht einmal einen Schmerzensschrei.
Entweder hatte der Bursche ein Gemächte aus Stahl oder er war ein Eunuch.
Ich probierte den Tritt erneut, legte diesmal aber mein Ziel mehr auf das Hochschleudern der Gestalt als auf eine Schmerz erzeugende Wirkung. Gleichzeitig warf ich mich nach rechts und stieß den Vermummten mit Macht zur linken Seite. Er flog in hohem Bogen durch die Luft und landete mit schwerem Aufschlag auf seinem Rücken. Die Zeit, in der er nach Atem rang, nutzte ich, um aus dem Bett zu springen, mein Rapier zu ergreifen und es gegen den noch immer halb benommen am Boden Liegenden zu schwingen. In diesem Augenblick wurde mein Waffenarm von hinten ergriffen und eine Stimme flehte auf lateinisch in mein Ohr: »Bitte nicht, mein Herr, habt Erbarmen! Sie hat es doch nur aus Liebe getan, um mich zu schützen.«
Es war der Italiener, dessen Gesicht dem meinen so nahe war, dass ich die Tränen in seinen Augen sehen konnte. »Gott sei dank ist Euch nichts passiert. Herr im Himmel, sie hat mir nichts von ihrem Plan gesagt, weil sie wusste, dass ich es nie zulassen würde. Aber ich habe es geahnt und bin trotzdem eingeschlafen, sodass sie sich fortschleichen konnte. Verzeiht mir, dass ich versagt habe.«
Wenn ich mir selbst mein Einschlafen schon verziehen hatte, konnte ich ihm wohl kaum einen Vorwurf machen. Doch schlau wurde ich aus seinem Verhalten nicht. DellaCroce ließ meinen Arm los und hockte sich neben seinen kleinen Gehilfen, der mit Mühe wieder zu Atem kam. Ihm war die Kapuze vom Kopf gerutscht, und als ich eine Kerze entzündet und näher zu den beiden getreten war, bemerkte ich die lange, schwarze Lockenpracht, die sich auf den Dielen ringelte.
Mein Angreifer war eine junge Frau.
DellaCroce hatte sie angehoben und in den Arm genommen, während er in seiner Muttersprache beruhigend auf sie einredete. Ich war froh, auf diese Weise etwas Zeit zu gewinnen, um meine Gedanken ordnen zu können, und nahm statt des Rapiers eine meiner Pistolen zur Hand. Als sich die Frau so weit erholt hatte, dass sie sich aus eigener Kraft aufrichten konnte, bedeutete ich den beiden mit einem Wink meiner Waffe, sich auf das Bett zu setzen, was auch widerspruchslos geschah.
»Und nun erzählt!«
Das blutjunge Weib hatte sich an DellaCroce geklammert und starrte schweigend vor sich hin. Der Italiener musste sich ein paar Mal räuspern, bis er seine Worte fand. »Beatrice ist meine Frau. Sie wollte verhindern, dass Ihr unser Gepäck durchsucht, die Beweise finden und uns dann töten würdet.« So hatte ich es ja auch geplant. Allerdings wollte ich das mit dem Töten dem Bischof überlassen.
Ich setzte mein gemeinstes Grinsen auf. »Brav, brav! Ein schönes, knappes Geständnis. Jetzt muss ich nur noch wissen, auf welche Weise ihr zwei den Boten ermordet habt.«
DellaCroce hob den Kopf und sah mir direkt in die Augen. »Wir haben ihn nicht ermordet. Wir wissen überhaupt nichts davon.«
Ich hielt ihm die Pistole dicht vor die Brust. »Wir waren doch gerade so wunderbar bei der Wahrheit. Ihr Schurken reist in Verkleidung durch das Land, deine Frau versucht mich meuchlings umzubringen, weil sie befürchtet, dass ich das gestohlene Gold finden würde, und du willst plötzlich ...«
»Nicht das Gold – das Glas!«
Das musste ich dem Kerl lassen, er war wieder für eine Überraschung gut. »Jetzt versteh ich gar nichts mehr. Zum Teufel, was für ein Glas? – Am besten, du erzählst von Anfang an. Und eines sage ich dir, spar dir jede Lüge! Der Herr von Crange wird über die geeigneten Mittel verfügen, die Wahrheit aus dir herauszuholen.«
Er musste sich wieder räuspern. »Nun gut, auch wenn es meinen Tod bedeutet. Aber verschont meine Frau. Sie kann nichts verraten, sie kennt die Geheimnisse nicht.«

Medienecho:
Ebenso witzig wie spannend, und historisch genau.
Klimmeks neues Buch übertrifft sie. Es ist ein Riesenspaß, wie er genau das Lokalkolorit und die historischen Fakten nachzeichnet, sich aber auch Freiheiten in der Diktion und in Anspielungen herausnimmt.
Die Muster des Genres werden bedient, von Zweikämpfen und Verfolgungsjagden bis zu Geheimwaffen, Giften und Undercover-Einsätzen. Frederik wird nicht geschont bei alledem. Aber Klimmek findet auch einige sehr schön vertrickste Wendungen, die man nicht erwartet. Und er trifft so genau den Erzählton des gealterten Helden, der am Biertisch mit seinen Taten renommiert.

>>> Westfälischer Anzeiger

Ein äußerst spannend inszenierter historischer Kriminalroman, der es schafft, den Leser zu verwirren und zu fesseln.

>>> Die Bücherecke

Klimmek fabuliert munter und in einer süffigen, plastischen Sprache, die in ihrer Mischung spätmittelalterlicher Prallheit und neuzeitlicher Coolness immer wieder einen Hang zur Parodie durchblicken läßt.

>>> GIG Münster