Klappentext: Kurt Gregorius ist vorzeitig aus dem Polizeidienst ausgeschieden und betätigt sich mit wechselndem Erfolg als Privatdetektiv. Er versteht sein Handwerk, doch wenn es um den eigenen Vorteil geht, besitzt seine Loyalität die Dehnbarkeit eines Wahlversprechens. Kurz, er ist ein Mann mit der Ausbildung eines Polizisten und der Moral eines Anwalts. Und er ist Realist genug, um über Leichen zu gehen, wenn es sein muß.
Daß es auch diesmal wieder sein muß, ist allerdings überraschend. Denn sein Auftraggeber, ein schwerreicher Baulöwe aus Bernkastel, betraut ihn mit einem Fall, der anfangs gar keiner ist. Obwohl alles nur auf einen kindischen Scherz hindeutet, wittert sein Klient mit dem dünnen Nervenkostüm, dem Erpresserbriefchen auf alberne Weise übermittelt werden, eine ernste Bedrohung für Familie und Firma. Und Gregorius wittert das große, leicht verdiente Geld. Wie verdammt schwer es aber wird, daran zu kommen, zeigt sich, als er über den ersten Toten stolpert.
Und weil der erst der Anfang einer Tragödie klassischen Ausmaßes ist, in der nahezu die gesamte Familie seines Auftraggebers ausgelöscht wird, können selbst der Mosel Wellen den menschlichen Dreck dieser sonst so sauberen Gegend nicht hinweg spülen.
Am Ende muß Gregorius alle Register ziehen, um wenigstens das zu retten, was ihm am wichtigsten ist - sein Honorar.
|
Leseprobe: Die Grammatik der Druckversion folgt bedauerlicherweise den Regeln der sogenannten Rechtschreibreform. Ich hoffe, das Textverständnis wird dadurch nicht allzu sehr beeinträchtigt.
Die Fahrt zur Burg über die A 48 und dann in Richtung
Roes verlief ohne nennenswerte Staus. Deshalb war ich so
früh am Ziel, dass ich ausreichend Zeit gehabt hätte, vor dem
Treffen das imposante Bauwerk noch in aller Ruhe zu besichtigen.
Doch meine Verabredung, gewandet in ein hellblaues
Schlabberkleid und mit einem tüllverzierten Monstrum
auf dem Kopf, das mich stark an die Zuckertüte meines
ersten Schultags erinnerte, erwartete mich bereits freudig
winkend an einem sonnengewärmten Tisch im Burghof.
»Juhuuu, Herr Gregorius, hiiier! Ich habe Ihnen hier noch
ein Plätzchen freigehalten.«
In Anbetracht der Tatsache, dass beide Nebentische unbesetzt
waren, sicherlich keine allzu große Mühe.
Sie hatte sich seit unserem letzten Treffen nicht verändert.
Das sagte ich ihr aber nicht, denn bei ihrem Aussehen bedeutete
eine fehlende Veränderung nicht zwingend ein Kompliment.
Wie viele fette Frauen hatte sie ein hübsches Gesicht.
Der Rest von ihr war von einem solchen Volumen, dass kein
Mensch sie umfassen konnte. Selbst ein Riesenkrake wäre
sich bei dieser Aufgabe wie ein Contergankind vorgekommen.
Das schien ihr inneres Gleichgewicht aber nicht zu beeinträchtigen,
denn sie strahlte so viel Warmherzigkeit aus,
dass ihr übriges Erscheinungsbild ihren Mitmenschen schnell
gleichgültig wurde. Da sie zudem über eine angenehme
Stimme verfügte, war sie für jede Firma die ideale Kummerkastentante,
bei der jeder gerne den Kasten umging, um sich
direkt bei ihr auszuweinen. Eine vom Schicksal vorbestimmte
firmeninterne Geheimnisträgerin der Extraklasse.
Wir begrüßten uns wie alte Bekannte, und mein Geschenk,
ein Kasten Weinbrandbohnen, garniert mit zwei deutlich
sichtbaren Hundert-Euro-Scheinen, brachte ihre Augen zum
Strahlen. Ihre gute Laune wurde aber gleich fragil, als sie
meinen auf ihr überdimensionales Tortenstück gerichteten
Blick als kaum verhohlene Kritik an ihrer Figur auffasste.
Deshalb lautete ihre erste Frage an den fast Unbekannten:
»Finden Sie mich zu dick?«
Ich hätte der Ehrlichkeit halber mit einem klaren Ja antworten
können, übersetzte meine Antwort aber lieber mit einem
verbindlichen, von einem Kopfschütteln begleiteten »Frau
Jörgens, Sie sehen aus wie ein präraffaelitischer Engel«.
Um alle Zweifel an meiner Lauterkeit zu beseitigen, bestellte
ich für uns beide Kaffee und gleich noch mal Kuchen
von ihrer Lieblingssorte »Käsesahne, ist ganz ausgezeichnet,
müssen Sie unbedingt probieren«, und gab bei restaurierter
bester Stimmung – zwei Bananenlikör taten ein Übriges – das
Stichwort Kutowski. Danach war ich für eine halbe Stunde
ein andächtiger Zuhörer.
Ich machte nicht den Fehler, ihr zu sagen, sie solle sich auf
das Wichtigste beschränken. Dafür ist der Unterschied zwischen
den Geschlechtern zu groß, und es konnte leicht passieren,
dass sie mir nur noch von der Farbe seiner Anzüge
und nicht von seinen Plänen, Äußerungen und Zukunftswünschen
berichten würde. Vielleicht hätte ich dann auch
nichts über das von Anfang an gestörte Verhältnis des Jungmatadors
zur damaligen etablierten Chefsekretärin Dorothea,
wie hieß sie doch gleich mit Nachnamen, ach ja, Merten,
erfahren.
Ich musste husten und benötigte den Rest meines Kaffees,
um einen ganz ausgezeichneten Käsesahneerstickungstod,
den ich nicht unbedingt probieren wollte, zu vermeiden.
Unsere Dorothea trug also den Nachnamen Merten, der
mir in so sehr unangenehmer Erinnerung war! Es gibt ihn
zwar öfters in Deutschland, aber so oft auch wieder nicht,
dass ich ihn hier für einen Zufall halten konnte. Außerdem
gab es hier ja noch die bestinformierte Frau Jörgens. Doch,
Frau Merten hatte zwar keine Kinder, aber wohl einen Neffen,
nein, den Vornamen weiß ich nicht, aber der wohnt da
bei Wittlich in diesem neuen Gewerbegebiet.
Stimmte mit dem Ausweis überein.
Mein Krümelmonster war wirklich sein Geld wert.
Wie ich weiter erfuhr, war Dorothea Kutowski ziemlich
gleichgültig, sie aber schien ihn fast zu hassen, weil sie durch
ihn auf lange Sicht die Position des angebeteten Firmengründers
bedroht sah.
Und vor einem solchen Hintergrund war in dieser Welt der
Wunder Dorothea Merten bei Manfred Kutowski Hausdame
geworden. Interessant.
Das Geplapper meines Gegenübers verhinderte eine interne
Computeranalyse dieser Fakten, aber ich stand schließlich
nicht unter Zeitdruck.
Was mir Frau Jörgens sonst noch zu erzählen hatte, war
ohne Belang. Es war mir von Herzen gleichgültig, warum sie
sich einem Club von Gleichgesinnten angeschlossen hatte,
der sich viermal im Monat in antiken Klamotten auf der Burg
traf, um Lieder von hehren Frouwen zum Besten zu geben,
wozu man Töne aus krummen Holzknüppeln quengelte und
kalebassenartige Saiteninstrumente malträtierte. Weil ich sie
mir aber für alle Eventualitäten warm halten wollte, ließ ich
ihren Redeschwall über mich ergehen, bis er von selber versiegte.
Ich übernahm die Gesamtrechnung bei einem jungen Prinz
Eisenherz, der die Geldkatze vor dem dünnen Bauch trug
und Bezahlung in Goldrand verlangte, was, wenn man sich
die Geldstücke einmal näher betrachtet, keine schlechte
Umschreibung für den Euro ist. Gegen Einbruch der Dämmerung
war ich zurück in meiner Weinstube.
|